G e s e l l s c h a f t
Wie ein Postbote die Psychiatrie überführt ...
..und zum Schirmherrn Psychiatrie-Erfahrener wurde!

Copyright © Dresdner Morgenpost 16. Januar 2004
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'Doktorspiele' für die Dresdner Von Petra Siemon
Dresdner Morgenpost Titelbild
Riesenansturm bei Postel-Lesung im Karstadt
Einem Wallfahrtsort glich am Mittwochabend das Restaurantcafé im Karstadt.19 Uhr drängten sich bereits 200 Menschen am Eingang,um 20 Uhr hatten 650 Platzgenommen: ausverkauft! Allebrannten darauf, einen Mann zuerleben: Hochstapler Gert Postel, der - präsentiert von der Morgenpost - aus seinem Buch "Doktorspiele" las.
Muße war ihm nicht vergönnt. Kaum hatte sich Postel - berühmtester Hochstapler seit "Felix Krull" - am Bühnentisch niedergelassen, wurde er wie ein Popstar mit Autogrammwünschen bestürmt. Danach schlug seine große Stunde: "Ich begrüße den sächsischen Ex-Sozialminister", platzierte er lächelnd seinen ersten Treffer. Denn Ex-Ressortchef Hans Geisler (CDU), dem der Postbote seine fulminante Arzt-Karriere im Freistaat verdankte, hatte sicher Besseres vor. "Ich begrüße", so spann Postel den Gag weiter ,"auch meine Freunde vom LKA, Abteilung Zielfahndung. Schön, dass Sie mich nicht alleine lassen!"
Gewandet in solides Grau-Blau, die Schuhe "geputzt, aber nicht glänzend" (wie einst bei seinem wirkungsvollen Vorstellungsgespräch im Sozialministerium), wandte sich der "falsche Arzt" von Zschadraß seiner Lektüre zu. Mit Auszügen aus den Kapiteln "Wie ich beim Aufbau Ost mithalf" und "Der Prozess" fesselte er sein amüsiertes Publikum anderthalb Stunden lang.
Ohne Kunstpause ging's schließlich in die Fragerunde. "Wie lange hätten Sie Ihr Spielchen in Zschadraß eigentlich noch fortgesetzt?", wollte ein Herr wissen. "Nicht ewig", so der 45-Jährige bestimmt. "Oberarzt an so einer Klinik zu sein ist doch wohl keine intellektuelleHerausforderung." Ein anderer forschte nach, ob Postel "nach Dienstschluss nicht jedes Mal Lachkrämpfe bekommen" habe. Die Antwort: "Ja. Oft. Ich wusste zwar, dass Ärzte häufig keine gebildeten Menschen sind. Aber dass es so schlimm ist, hielt ich nicht für möglich."
Es sei schon "schizophren", ihn dort zwei Jahre auf Händen getragen zu haben und dann plötzlich zu hetzen. Bescheiden auch Postels Reaktion auf die Bedenken einer Dame, dass er Patienten ja hätte schaden können: "Ich war doch angetreten, Schaden abzuwenden!" Ob er da nicht besser in die Politik gepasst hätte? Postel:"Nun, man kann nicht überallsein." Selbst das Thema seiner "Promotion" interessierte. Worauf der verbal geübte Briefträger blitzartig hervorsprudelte: "Die kognitivinduzierte Verzerrung in der stereotypen Urteilsbildung."

 

 

 

 

Das Restaurantcafé war proppenvoll (Foto oben). Schon vor der Lesung holten sich die Dresdner Autogramme auf mitgebrachten Büchern und selbst auf Eintrittskarten (Foto links). Fast 100 weitere Bücher wurden im Vorraum verkauft. Fotos: Carla Arnold

Was er im Strafvollzug erlebte? "Nur Gutes", so Postel lobend. "Vor allem im Osten ist der Umgang rührender , menschlicher." Die Frage eines Herrn, ob denn nicht die Ehrendoktorwürde anstünde, tat der clevere "Doktor" indes lässig ab: "Das wäre ein bisschen wenig." Schließlich verriet er noch seine Zukunftspläne: "Im Herbst erscheint mein neues Buch, Weiter im Text' und 2006 ein Kinofilm."

Wer am Mittwoch nicht zum Zuge kam, kann sich an Postel selbst wenden:
G.Postel@myfaz.net oder an seinen Fanclub unter www.gert-postel.de.

Gert Postel, "der Unwiderstehliche" (so der Titel eines NDR-Films über ihn), zelebrierte sich gekonnt. Dem Publikum gefiel's: Mehrfach wurde sein Vortrag von Lachen und Applaus begleitet.

 


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